Falls ihr jetzt vergeblich den Beitrag „Hochtirol Teil 1“ gesucht habt, kann ich euch beruhigen. Es gibt ihn nicht. Warum also Teil 2? Dazu später mehr…
Die Königin der Skitouren
Ich stehe kurz vor meinem Dreißigsten Geburtstag und einer meiner größten Wünsche war es, eines Tages die Mehrtages Skitour „Hochtirol“ zu gehen. Die Königin der Skitouren, wie die 6-Tages Skitour auch genannt wird, verläuft von Kasern in Südtirol bis nach Kals am Großglockner. Dabei werden mehr als 18.000 Höhenmeter und 140 Kilometer bewältigt. Es war aber auch klar, dass wenn ich es eines Tages machen möchte, es in unter 6 Tagen machbar sein sollte und so zog ich meinen Bergfreund und Ultramarathonläufer Gregor dem Vorhaben herbei.
Da uns die Coronakrise auch durch die gesamte Wintersaison verfolgt hat, blieben alle Hütten geschlossen und somit war eine typische Mehrtagestour, sprich leicht bepackt von Hütte zu Hütte, heuer leider nicht möglich. Da mein Jubiläum bereits vor der Türe steht, brauchten wir einen Plan B. Schnell kam uns die Idee, den 2. Teil der Skitour (normalerweise Tag 4, 5 und 6) an einem Tag zu bewältigen. Daher die Überschrift „Hochtirol Teil 2“. Ich gebe zu, es ist nicht der einfallsreichste Name…
Schritt finden
Also brechen wir am Sonntag, 28. Februar 2021 abends zum Matreier Tauernhaus auf, wo wir die Nacht am Parkplatz verbringen um am nächsten Tag früh morgens mit unseren Vorhaben starten zu können.
Um 04:15 Uhr läutet uns der Wecker aus dem kühlen Schlaf. Anziehen (so gut es geht im warmen Schlafsack) und raus um Kaffee und Wasser zu kochen. Es ist eine sternenklare Nacht und der Thermometer zeigt fröhliche -12° C. Die Kommunikation beschränkt sich auf das nötigste: „Kaffee? Ja, nein? Seil? Ja, nehme ich…!“
Es geht los. Nur mit kleinen Stirnlampen, da uns in einer Stunde der Sonnenaufgang erwartet, marschieren wir zögerlich los. Es dauert fast 30 Minuten bis unsere Körper auf Betriebstemperatur steigen und wir unseren „Schritt“ finden. Wir sind uns bewusst, dass wir heute über 10 Stunden auf den Füßen sind. Es stehen mehr als 4.000 Höhenmeter und 40 Km am Programm, da ist der richtige Rhythmus (Schritt) eine wichtige Sache.
Das Frieren und die harte Nacht im Auto ist aber spätestens nach den ersten 1.300 Höhenmetern vergessen. Wir stehen an einem Sattel kurz vor der ersten Abfahrt des Tages und die Sonne strahlt uns ins Gesicht. In der Ferne sehen wir unser Tagesziel, den Großglockner. „Des is noch gscheid weit weg!“ sind Gregor und ich uns einig und so stürzen wir uns in die erste Abfahrt. Pulver, wer hätte das Gedacht? Der Osthang voller Sonne und wir ziehen um 07:30 Uhr die ersten Schwünge, das motiviert!
Stubacher Sonnblick
Solche Abfahrten dauern meist nicht lange an und so erwartet uns schon der nächste Anstieg. Dieses Mal jedoch auf den ersten Gipfel von heute, den Stubacher Sonnblick mit 3.088 m. Der Tag ist noch jung und wir noch im Saft. So erreichten wir nach ein paar kleinen Klettereien den St. Sonnblick über den SO Grat in einer Zeit von 4 Stunden.
Die Temperaturen sind angenehm und der Wind weht nur schwach. Nach der ersten Stärkung des Tages, die nächste Abfahrt Richtung Rudolfshütte, vorbei am Weißsee und bergab zum Ödenwinkelkees.
Nachdem wir die normalerweise 3-Tagestour an einem Tag packen wollen, lassen wir die Abfahrt Richtung Kalser Tauernhaus aus und wollen vorbei am Johannisberg, obere Pasterze und über die Romariswandköpfe in Richtung Großglockner.
Abklettern!
Die Abfahrt zwischen Rudolfshütte und Ödenwikelkees hält die erste Überraschung parat. Wo normalerweise ein Wanderweg bzw. eine steile Schneeabfahrt vorzufinden ist, liegt heute eine vereiste steile Wand vor uns. Diese stoppt kurz unser zügiges Vorankommen. „Es hilft nix, abklettern oder großräumig umgehen? Klar, abklettern!“ Also Ski nochmal aus und Steigeisen an.
Die Eiswand geschafft, geht es weiter. Es ist kurz vor Mittag und die Sonne zeigt bereits ihre Kraft, uns erwartet ein langwieriger Anstieg zum hohen Riffl (3.338 m). Nicht nur der lange Anstieg und die Sonne, sondern auch der immer noch stark gefrorene Schnee lässt uns langsam vorankommen. Wir spekulierten etwas damit, dass bei dem im Schnitt 30-40° Grad steilen Anstieg der Schnee auffirnt, dem war jedoch leider nicht so. Daher blieb uns nichts anderes übrig, als so gut wie möglich abwechselnd mit und ohne Ski, die nächsten 1.300 Höhenmeter im Angriff zunehmen. Der Gedanke, dass dort oben der Großteil der Höhenmeter geschafft sei, lässt uns optimistisch bleiben. Dieser Anstieg hat es aber in sich, er benötigt viel Kraft und Zeit. Dass wir mittlerweile 7 ½ Stunden unterwegs sind zeigt mir auch mein Körper, ich werde müde. So beschließen wir, den Gipfel Hohe Riffl links liegen zu lassen und via obere Ödenwinkelscharte auf den obersten Pasterzenboden, den Johannisberg zu umfahren.
Letzte Hürde?
Um den Johannisberg herum, stehen wir nun auf dem oberen Pasterzenboden. Vor uns, die Romariswandköpfe, die letzte Hürde bevor wir den Großglockner, dem Dach von Österreich erreichen. Erneut ein Anstieg von 500 hm bis es auf einem kurzen (so glauben wir), Grat auf die andere Seite, das Teischnitzkees geht. Doch da liegen wir falsch. Die 500 hm ziehen wir mit müden (mittlerweile 8 Stunden auf Skiern) Füßen durch. Jedoch ist der Grat steiler, länger und ausgesetzter als gedacht, auf eine solch intensive Kletterei sind wir weder mental, noch ausrüstungsmäßig nicht eingestellt. Nach beidseitiger Abstimmung machen wir eine kurze Pause und beginnen das Klettern. Anfangs seilfrei, da wir immer noch der Überzeugung sind, dass es sich nur um ein kleines Stück handelt und wir sehr bald die Ski anschnallen können. Doch nach 8 Stunden und mehr als 3.500 hm merke ich, dass mir diese Gratkletterei nicht mehr so leicht von der Hand geht. Am ersten Turm oben am Grat angekommen, entschließen wir uns, doch das Seil zu verwenden. Nun präsentiert sich der Grat in voller Länge. Nein, es handelt sich nicht nur um ein kurzes Stück. Die Uhr zeigt mittlerweile 16 Uhr und es ist kein Weiterkommen in Sicht. Gregor, der stärkere Kletterer von uns beiden ist sich sicher, dass der 2. Teil des Grates vom Schwierigkeitsgrad her gleich wäre als der erste Teil. Doch für mich war hiermit Schluss.
Das soll nicht heißen, dass mir eine Kletterei am Grat viel ausmacht und ich nicht gerne klettere. Im Gegenteil, genau das zähle ich zu meiner Leidenschaft. Jedoch sind wir seit 04:30 Uhr auf den Füßen und meine Konzentration lässt nach. Ich bin müde und merke, dass ich Fehler mache. Schlechte Voraussetzung für eine solche Kletterei. Fehler an gewissen Stellen bedeuten den sicheren Tod. Weiteres haben wir bis auf ein 40 m Seil, einen Leichtgurt, ein paar Schraubkarabiner und 2 Schlingen kein Equipment mit und ich fühle mich nicht mehr dazu fähig, den letzten Teil des Grates zu klettern. Während ich dies mit meinem Partner bespreche, fällt mir zu unseren Rechten eine 50° Grad steile und 400 m lange Rinne ins Auge. Diese sehe ich als meinen persönlichen Exit vom Grat.
Plan B
Alles besprochen, schmieden wir einen Plan B. Abseilen in die Rinne und die ersten 100 m absteigen, den Rest fahren wir mit den Skiern auf den unten liegenden Gletscher. „Geil, jetzt haben wir noch eine Steilrinne befahren!“ schmunzeln wir scherzhaft. Innerlich bin ich heilfroh von diesem Grat weg zu sein.
Planänderung, zum Glockner schaffen wir es heute nicht mehr. Jetzt gilt es, den Weg von hier aus in Richtung Kalser Tauernhaus zu finden und vor der Dunkelheit im Tal zu sein. Mithilfe von Karten löst sich der Weg rasch und somit stehen wir nach einer 2.000 m Abfahrt im Talschluss, welches wir nun noch rauszuschieben dürfen. Das Tal ist eng und lang. In der Mitte ein Fluss und unzählige Lawinenkegel, die wir passieren müssen. Es scheint, als müssen wir uns das Taxi (Gregors Freundin) noch schwer verdienen und so kämpfen wir uns die letzten 6 Km durch die Talenge zum Tauernwirt, wo uns Julia bereits erwartet und wir nach 12h 37min und 36sec unsere Skitour beenden.
Erwartest du einen Superhero Abschluss?!
Der Großglockner steht noch länger und ich kenne ihn ja. Das Ziel war in diesem Fall sprichwörtlich, der Weg. Eine Skitour in diesem Ausmaß ist nichts Alltägliches, daher war dies definitiv eine meiner Highlights im bisherigen „Sportlerleben“. Die Höhen und Tiefen, welche man in 12 Stunden Anstrengung durchlebt. Die Eindrücke und das Gefühl, seinen Körper so zu erfüllen und auszureizen ist das, was mich antreibt. Es ist schwierig, diese Emotionen in einem Abschluss wiederzugeben.
Zahlen und Fakten:
Distanz: 39,63 Kilometer
Aufstieg: 3.644 Meter
Höchster Punkt: 3.490m Niedrigster Punkt: 1.499m
Dauer: 12:37´36“
Verpflegung: 1,5l Wasser, 2 Snickers, 2 BCAA Gel´s, 1 Activator, 1 Energy Riegel, 2 Hände voll Nüsse
=> Die Tour auf Strava:
3 Comments
Da 30er hoid an jeden ei🍾🥂
Wie war, aber duad nid weh!
Bravo zwinzi und grex😊😊
Gfrei mi auf mehr 👍🏼